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   BVerfG - 2 BvR 2631/14   

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BVerfG - 2 BvR 2631/14 (https://dejure.org/9999,121179)
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Wird zitiert von ... (7)

  • BVerfG, 05.05.2020 - 2 BvR 859/15

    Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig

    Das ist der Fall, wenn sie entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 101) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Handlungs- und Unterlassungspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 101).

    Rechtsakte des Sekundär- und Tertiärrechts der Europäischen Union sind danach insoweit tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde, als mit dieser eine Verletzung der Integrationsverantwortung deutscher Verfassungsorgane bei der Umsetzung dieser Rechtsakte beziehungsweise in der Folge durch das Unterlassen eines aktiven Hinwirkens auf die (Wieder-)Einhaltung des Integrationsprogramms geltend gemacht wird (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 102 f.).

    Das Bundesverfassungsgericht prüft solche Maßnahmen daraufhin, ob sie durch das Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 101).

    In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union keine Akte öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG sind und daher im Verfahren der Verfassungsbeschwerde kein unmittelbarer Beschwerdegegenstand sein können (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 112).

    99 1. Das dem Einzelnen in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag erschöpft sich nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern umfasst auch dessen grundlegenden demokratischen Gehalt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 97, 350 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 115; vgl. auch BVerfGE 135, 317 ).

    Dazu gehören namentlich der in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Grundsatz der Volkssouveränität und der damit zusammenhängende Anspruch der Bürgerinnen und Bürger, nur einer öffentlichen Gewalt ausgesetzt zu sein, die sie auch legitimieren und beeinflussen können (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 115).

    Jede in Deutschland ausgeübte öffentliche Gewalt muss danach auf die Bürgerinnen und Bürger zurückführbar sein (vgl. BVerfGE 83, 37 ; 93, 37 ; 130, 76 ; 137, 185 ; 139, 194 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 117).

    Dies schließt es aus, dass diese einer politischen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 117).

    Er dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 118).

    Die demokratische Legitimation der in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt durch das Staatsvolk gehört als wesentlicher Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität zu der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG auch integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 119).

    Dynamische Vertragsvorschriften müssen jedenfalls an geeignete Sicherungen zur effektiven Wahrnehmung der den Verfassungsorganen obliegenden Integrationsverantwortung geknüpft werden (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 121).

    Dem Deutschen Bundestag müssen auch bei einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 GG eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischem Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 122).

    Daher liegt eine das Demokratieprinzip verletzende Übertragung von Hoheitsrechten jedenfalls dann vor, wenn die Festlegung von Abgaben in Art und Höhe in wesentlichem Umfang supranationalisiert und damit der Dispositionsbefugnis des Bundestages entzogen würde (vgl. BVerfGE 129, 124 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 123).

    Ihnen obliegt insoweit eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 141).

    Dieser Verpflichtung entspricht ein in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerter Anspruch der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Verfassungsorganen, dafür zu sorgen, dass die mit dem Vollzug des Integrationsprogramms verbundenen Einschränkungen ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung nicht weitergehen, als dies durch die zulässige Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 142).

    Der Anspruch richtet sich vor allem gegen die im Bereich der auswärtigen Gewalt mit besonderen Kompetenzen ausgestatteten Verfassungsorgane Bundesregierung und Bundestag (vgl. BVerfGE 90, 286 ; 121, 135 ; 131, 152 ; 140, 160 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 143).

    Bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union haben Bundestag und Bundesregierung im Rahmen ihrer Befugnisse aktiv auf die Befolgung und Beachtung der Grenzen des Integrationsprogramms hinzuwirken (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 142).

    Dies gilt vor allem dann, wenn öffentliche Gewalt durch Stellen ausgeübt wird, die nur über eine schwache demokratische Legitimation verfügen (vgl. BVerfGE 130, 76 ; 136, 194 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 146).

    Überschreitet eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union die Grenzen des Integrationsprogramms in offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Weise, so haben sich Bundesregierung und Bundestag aktiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeizuführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 147).

    Soweit dies jedoch nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie verpflichtet, mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung der vom Integrationsprogramm nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken sowie - solange die Maßnahmen fortwirken - geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen soweit wie möglich begrenzt bleiben (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 149).

    110 b) Die Voraussetzungen der Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht sind mittlerweile geklärt (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 140 ff.).

    Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz durch das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle der Europäischen Union eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. EuGH, Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, EMRK-Beitritt, Slg. 1996, I-1783 ), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 153).

    Insoweit gelten im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle die allgemeinen Grundsätze (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 152).

    Überschreitet der Gerichtshof diese Grenze, ist sein Handeln vom Mandat des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt, sodass seiner Entscheidung jedenfalls für Deutschland das gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG erforderliche Mindestmaß an demokratischer Legitimation fehlt (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 151).

    114 4. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit der Integrationsverantwortung der Verfassungsorgane schützt die Wahlberechtigten nicht nur davor, dass der Europäischen Union Hoheitsrechte entgegen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG jenseits des für eine Übertragung offenstehenden Bereichs eingeräumt werden, sondern auch davor, dass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union umgesetzt werden, die eine entsprechende Wirkung entfalten und jedenfalls faktisch einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Kompetenzübertragung gleichkämen (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 154).

    Die Integrationsverantwortung verpflichtet die Verfassungsorgane auch insoweit, sich schützend und fördernd vor die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen des Einzelnen zu stellen (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 154).

    Mit Blick auf das Demokratieprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG ist unter anderem sicherzustellen, dass dem Deutschen Bundestag eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischem Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ) und dass er in der Lage bleibt, seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 131, 152 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; vgl. auch BVerfGE 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 123).

    Damit die EZB nicht entgegen dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung in gültiger Weise ein Programm beschließen und durchführen kann, das über den Bereich hinausgeht, der der Währungspolitik durch das Primärrecht zugewiesen wird, muss die Beachtung der Grenzen der Zuständigkeit der EZB in vollem Umfang gerichtlicher Kontrolle unterliegen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 134, 139, 211).

    Die Zuordnung einer Maßnahme zur Währungs- statt zur Wirtschafts- oder Fiskalpolitik berührt nicht nur die Frage der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten; sie entscheidet zugleich über das demokratische Legitimationsniveau und die Kontrolle des entsprechenden Politikbereichs, weil die Währungspolitik dem nach Art. 130, Art. 282 AEUV unabhängigen ESZB übertragen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C-518/07, Slg. 2010, I-1897, Rn. 42; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 132 ff.).

    Denn dieser Ausschuss ist Teil des zu kontrollierenden Organs und weder dazu berufen, effektiven Rechtsschutz zu gewähren noch die demokratische Legitimation des Handelns der EZB sicherzustellen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 137, 212, 274 ff.).

  • BVerfG, 13.02.2020 - 2 BvR 739/17

    Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht nichtig

    Im Urteil zur Bankenunion hat der Senat zum Gehalt des "Rechts auf Demokratie" aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zusammenfassend ausgeführt (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 91-94):.

    Identitätsrüge und Ultra-vires-Rüge haben insofern dieselbe verfassungsrechtliche Wurzel, nämlich den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verankerten "Anspruch auf Demokratie" (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 205).

    So ist Gegenstand der Ultra-vires-Kontrolle, ob das Handeln der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union und der in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zur Europäischen Union stehenden zwischenstaatlichen Einrichtungen von den im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 GG enthaltenen Vorgaben des Integrationsprogramms gedeckt ist oder die Maßnahmen aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbrechen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ), während die Identitätskontrolle nicht die Einhaltung der Reichweite der übertragenen Zuständigkeit betrifft, sondern die "absolute Grenze" des Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 204).

    b) Allein in diesem Zusammenhang stand bisher auch die vom Senat wiederholt betonte verfahrensmäßige Komponente der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 93).

    Der sich damit in der Praxis ergebende Anspruch auf eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle von Gesetzen kann jedoch schon deshalb nicht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleitet werden, weil diese Vorschrift - wie der Senat immer wieder ausgeführt hat - allein der Ermöglichung, nicht aber der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse dient (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 118).

    Als Grundrecht auf Mitwirkung an der demokratischen Selbstherrschaft des Volkes verleiht Art. 38 Abs. 1 GG daher grundsätzlich keine Beschwerdebefugnis gegen Parlamentsbeschlüsse, insbesondere Gesetzesbeschlüsse (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 118).

  • BVerfG, 14.01.2020 - 2 BvR 2055/16

    Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt ist

    Mehr als 70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes und angesichts der tiefgreifenden Veränderungen, die Staat und Gesellschaft seitdem durchlaufen haben - pars pro toto genannt seien etwa die weite Öffnung der Staatlichkeit für die europäische Integration (vgl. BVerfGE 89, 155 ff.; 123, 267 ff.; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 119 ff., 140 ff.), die Privatisierung grundlegender Verwaltungsaufgaben (vgl. BVerfGE 147, 50 ) oder die fundamentalen Veränderungen von Geschlechterrollen und Familienstrukturen (vgl. BVerfGE 119, 247 ; 121, 241 ) -, kann die Frage, welcher Richtlinien und Prinzipien, das heißt instrumentellen Sicherungen es bedarf, um den Zweck der institutionellen Garantie von Art. 33 Abs. 5 GG zu verwirklichen, nicht mehr allein danach beurteilt werden, ob diese auch schon während eines traditionsbildenden Zeitraums, der jedenfalls deutlich vor 1933 beginnt, erforderlich waren.
  • BVerfG, 07.11.2019 - 2 BvR 882/19

    Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Freihandelsabkommen

    aa) Die Maßstäbe für eine Ultra-vires-Kontrolle hat der Senat zuletzt im Urteil zur Europäischen Bankenunion dargelegt (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 150-153): Danach kommt eine.

    Ebenso offen ist, ob die von der Beurteilung der Zuständigkeitsverteilung zumindest teilweise abweichende Auffassung des EuGH in seinem Gutachten - ihre Fehlerhaftigkeit unterstellt - die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Anforderungen an eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 150 ff.) erfüllt.

  • BVerfG, 28.10.2019 - 2 BvR 966/19

    Verfassungsbeschwerde gegen Freihandelsabkommen nicht zur Entscheidung angenommen

    Selbst wenn dies der Fall sein sollte, hätte es näherer Darlegung bedurft, inwieweit die von der Beurteilung der Zuständigkeitsverteilung durch den Senat in dieser - im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen - Entscheidung zumindest teilweise abweichende Auffassung des EuGH in seinem Gutachten - ihre Fehlerhaftigkeit unterstellt - die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Anforderungen an eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 150 ff.) erfüllt.

    In Bezug auf die Identitätsrüge fehlt es an einer an den verfassungsrechtlichen Maßstäben (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 120, 204 f.) orientierten substantiierten Darlegung, inwiefern das als "EU-only"-Abkommen konzipierte EUSFTA das Demokratieprinzip berühren kann.

  • BVerfG, 02.07.2019 - 2 BvR 1685/14

    Ablehnung des Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

    - 2 BvR 2631/14 -.
  • FG Hamburg, 30.09.2022 - 6 K 47/21

    Betriebsausgabenabzugsverbot gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 13 EStG:

    Sie sind auch im Rahmen der unionsrechtlichen Überformung der Abgabe zu beachten, weil Rechtsgrundlage für die Abgabenerhebung nicht das Unionsrecht sondern allein das nationale Recht ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2019, 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, BVerfGE 151, 202, Rn. 298 ff.).
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